Samstag, 24. November 2012

Kein gutes Zeichen?

Am iMac ist eine Tastatur mit Kabel angeschlossen. Keine kabellose Tastatur.

In FaceBook hat eine Freundin berichtet, ihre Kartoffelpuffer werden wohl glücken, weil sie den ersten erfolgreich gewendet hat. Zuvor hatten wir uns kurz über verschiedene Rezepturen und Techniken unterhalten, wie man Kartoffelpuffer zubereiten kann.

Zu dieser Meldung über den Erfolg am Herd wollte ich den Kommentar nachtragen Das ist ein gutes Zeichen. Da streikt der PC, nimmt keine Tasstendrucke mehr an und meldet Keine kabellose Tastatur angeschlossen.

Das war gleich behoben. Die Tastatur am USB-Kabel ausstecken und wieder einsteigen. Schon weiß der iMac wieder was Sache ist. Und dann wieder zu Facebook, um meine Nachricht vom guten Zeichen doch noch abzusetzen.

Kurz vor dem Abschicken, sehe ich, dass ich folgendes getippt habe: Keine kabellose Tastatur angeschlossen.

Es lässt sich noch reparieren. Ich weiß noch, was ich eigentlich schreiben wollte. Aber erst nachdem ich den Unfug gelesen hatte. Wenn das meine Kartoffelpufferin so gekriegt hätte, wäre sie mit dem Rettungswagen gekommen um mich in die Obhut der Psychiatrie zu verbringen.

Was für ein Zeichen ist dies? Mene tekel upharsin.

Mittwoch, 21. November 2012

Rudi Sprachlos

Heute sagte eine Freundin, neuerdings heiße es, die Grünen seien an allem schuld. Da fiel mir ein dass Rudi Carrell gesungen hat "Und schuld daran ist nur die SPD". Ich wollte ihr schreiben, dass mir dazu Carrells Lied einfalle, und dass es wohl mit der SPD nicht mehr so weit her sein kann, wenn sie nicht einmal mehr schuld an was ist.

Mit Mühe brachte ich den Vornamen RUDI in die Tasten. Dann war Sense. Rudi Wer? Rudi Wie? Rudi, Rudi, Rudi - NIX.


Eingefallen sind mir dann Rudi Schuricke (Schlagersänger: Wenn bei Capri die rote Flotte im Meer versinkt), Rudi Ratlos (Udo Lindenberg), Rudi M. (wohnt bei uns im Haus ), Rudi H. (wohnt im Haus gegenüber), Rudi Altig (Radfahrer). Aber nicht Rudi Carrell. Ich sah die Gesichter aller dieser Rudis, hörte im Kopf die Musik der Schlager, sah den Altig Rad fahren und Udo Lindenberg mit seinem Schlapphut ("Alles klar?"). Aber dort wo in meinem Hirn Carrell stehen sollte, dort war ein Loch. Ein schwarzes Loch. Punktiert. Weg. Nix. Tot.


Google hat geholfen. Schlagertext eingeben, und schon erscheint Rudi Carrells voller Name. Aber nicht, dass meine Birne gleich sagte, ach so, ist ja klar: Carrell heißt der Rudi. Nein, jetzt kommt der Alzheimerhaken: Es kursierte folgender Zweifel hinter meiner Stirn: "Carrell? Ein exotischer Name, den ich irgendwie nicht erwartet habe. Welchen dann? Ich weiß es nicht, nur nicht den."


Und dann keimte Wut auf. Sacht aber böse. Das Bewusstsein, dass meine Birne nicht mehr so tut wie sie getan hat, überrollte mich. Diese gelinde Wut kenne ich von meiner Mutter, als ihr Alzheimer im Anfang war. Ärger über die Lücke im Hirn, gepaart mit der Angst, die Löcher brechen ein, wie der Schaum auf einer frisch gezapften Halben Bier, das Netz sei am Reißen.


Dann viele andere Sachen gemacht. Und bald wieder vergessen, verschoben. Und jetzt grad hat´s mich wieder eingeholt. Interessanterweise über das Wort Carrell. Als ob das Loch  sich am Riemen reißen will und mir eilfertig bereit hält, was es vormals versteckt hat.


Eine nette Version:


http://www.youtube.com/watch?v=NQ04QSOwEKE

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Vorspiel 1

Als mein Vater sterben musste, war er drei Jahre jünger als ich jetzt bin.

Meine Mutter hat ihren Mann um 31 Jahre überlebt. Sie wusste nicht mehr wo sie war. Es blieb ihr jedoch ein inneres Gerüst, beleuchtet durch sanfte Berührungen und bewusste Blickkontakte. Zu mir, zu meiner Frau und zu meinen Geschwistern, zu den Enkeln und Urenkeln. Die Heimleiterin Susanne war ihr seit einem Jahr bekannt, Gesicht zu Namen, Name zu Gesicht. Dazu hatte sie fast vier Jahre gebraucht.

   Mutter, wer isch denn dui Frau do?
   Weiß I net.
   Die kennsch du doch.
   Noe. Aber I glaub, I han se scho mal gsea.
   Woesch, die macht dir emmer dei Gsälzbrot.
   I ess koe Gsälzbrot.
   Ha doch, du willsch doch gar koe Wurscht meh, du willsch doch emmer bloß a Gsälzbrot.
   Wenn de moensch.
   Ond dui Frau do? Woesch no, wie mr zu der sagt?
Ond plötzlich strahlt die alte, zusammen gesunkene Frau, greift nach ihrer Kaffeetasse und sagt:
   Des isch d´Susanne!

Als der Hausarzt viele Jahre zuvor zu mir gesagt hatte, Ihre Frau Mutter hat einen Alzheimer, da nahm ich das als gegeben und normal hin. Alterserscheinung. Sie lässt halt nach, dachte ich, und hab ihr Gingko-Kapseln gekauft. Die hat sie abgetan: So an Scheiß brauch I net, aber wenn de moensch, no schluck es halt.
Der Alzheimer hätte sie nach Jahren bis in die seelische und körperliche Verwahrlosung geführt, wenn man ihr nicht Hilfe geboten, geradezu aufgezwungen hätte.

Dann habe ich die Merkmale studiert und selber einen Alzheimer-Test gemacht, beim Neurologen. Mein Körper gleicht dem meiner Mutter in vielen Dingen: Verdauung, Kreislauf, Haut, gesunde Organe. Und Denkweise, Fantasien, Neugier, Sprachgefühl, Einstellung zur allernächsten Umgebung, Schlamperei, ausgeprägte Feinmotorik. Also Hirn.

Den Test habe ich summa cum laude bestanden, weil die Hälfte aller Aufgaben aus dem Mathe-Lehrplan meiner Mädels in der Schule stammten, die ich Jahr für Jahr auf die Mittlere Reife vorbereitet habe. Und ein Viertel waren typische Knobelfragen, die ich immer löse, wenn der Geist mir zufliegt. Aber manche Merkmale, die nur ich kenne, beobachtet bei meiner Mutter, und nun bei mir durchschimmernd, waren und sind signifikant.

Angst habe ich nicht. Denn das Hindämmern ist ein gutes Sterbekissen. Ich bin aber besorgt. Denn das alles müssen meine Kinder aushalten, wenn es so weit kommen würde, meine Frau, meine Enkel. Und dagegen sträube ich mich. Noch.